Gäbe es keine originellen oder vielmehr einzigartigen Geschichten mehr, da alles bereits erzählt wurde, was bliebe übrig außer Geschichten über Geschichten, Geschichten, die auf Geschichten verweisen und – Geschichten in Geschichten? Der "Tod des Autors", poststrukturalistisch gesprochen, belagert Tom Fords metaleptisch erzählten Konstruktionsbogen "Nocturnal Animals". Den Fiktionsfantasien Paul Austers ähnlich, verzahnt Ford (hier: zwei) Geschichten, eine flächengleißende Kunstsatire und einen rauen Hardboiled-Krimi zu Existenzkonflikten nimmerschlafender Nachtgestalten. Mit Hilfe von präzisen Match Cuts transportiert der Film jene Kraft von identitätsstiftenden Geschichten, die immer auch autobiografisch sind und unter die Maske der Normalität blicken: auf die Nacktheit der Gewalt, der Gedanken, des Fleisches, auf das, was abgeschminkt, entreinigt wurde. "Nocturnal Animals" zu beschreiben, fällt schwer angesichts seiner technisch gedachten Regie. Wo der Krimi das übliche Prozedere eines Genrefilms wiederholt (Michael Shannon spielt, selbstverständlich, seinen ikonischen Griesgram), erzählt die Kunstsatire von Selbstbehauptung, Lossagung und kulturellem Werteverfall. Im Vergleich zu "The Neon Demon" – beide Filme nähern sich stilistisch an – benötigt Ford aber keine ostentativen Metaphern, die schreien: "Ich bin provokant!" Ein Schnitt von einem geschminkten auf ein ungeschminktes Gesicht innerhalb der Geschichtsebenen oder tanzende (Rubens-)Körper vor einer amerikanischen Flagge – das sind originelle Symbolismen, derer sich Ford bedient, um in die Wildnis des Erzählens zu entschwinden.
6.5 | 10