Höchst irritierende, aber nie langweilige Bestsellerverfilmung der Freud-Breuer-Salomé-Fiktion Irvin D. Yaloms. Friedrich Nietzsche (Armand Assante), der wetternde Moralkritiker, entpuppt sich in dieser fantasierten Zusammenfügung als therapeutischer Vordenker jener psychoanalytischen Gruppierung unter der Führung Sigmund Freuds, die mit Hilfe sprachlich manifester Erlebnisstrukturen eine kritisch beäugte Wissenschaft begründete. Während Nietzsche den zornigen Bewusstseinspropheten gibt, entspricht sein Arzt Josef Breuer (Ben Cross) sukzessive dem personifizierten Nietzsche-Gleichnis des Übermenschen, der jegliche kleinbürgerliche Moral hinter sich lässt, um einen Weg zwischen Bestimmung und Gestaltung zu finden (zugleich die beste Szene: ein schmerzhaft angerührter Familienabschied). Der Film, er packt weder seine (Valium-)Figuren noch uns; die triste TV-Optik gewährt allenthalben preisgünstige Dauereinstellungen auf hünenhaft ins Bild geschnittene Köpfe und archaisch hergerichtete Räume, in denen diese Köpfe miteinander in Beziehung stehen. Dazu verrennt sich die Adaption in ihrer überladenen Namedropping-Attitüde ikonischer Zitate. "Und Nietzsche weinte" wartet trotzdem mit dem ein oder anderen anregenden Einfall auf, fädelt skurril-pompöse Traumtexturen ein, und wenn dieser Film die "Zeit" (aus Budgetgründen) auflöst, als ob er im Hier und Jetzt verhaftet sei, anstatt "Zeit" ausstattungssicher zu rekonstruieren, entsteht etwas nicht minder Irreales, etwas nicht minder tektonisch Unbestimmtes, das allegorisch angelehnt scheint – an ein universalistisches Gefühl zwischen Nervenkrankheiten, Entbehrungen und den Zeichen des Traums.
5 | 10