Freitag, 9. September 2016

"Every Thing Will Be Fine" [D, CDN, N, S 2015]


Wie tot kann Kino sein, werden, gipfeln? Toter als tot – das ist "Every Thing Will Be Fine". Glatt eine Lüge, dieses "Fine". Wim Wenders, sonst bekannt für schlingernde Meditationserfahrungen unterhalb des Bewusstseins, sah einem Film beim Sterben zu. Aber gelingt ihm nicht gerade dadurch einer, der sich unbeirrt einer sakralen Trauer verschreibt, die ohne vordergründigen Seelenkitsch Menschen als Objekte zurücklässt? "Every Thing Will Be Fine" ist ein sachtes, dekoratives Trauerdrama, Ellipsen und (Zeit-)Sprünge durchziehen es, während ein Unfalltod Linien der Kommunikationslosigkeit und Nichtverwurzelung nach sich zieht. James Franco spielt einen statisch in Schauspielmauerwerk eingegossenen Schriftsteller, der im Schreiben Ereignissheilung vermutet. Teils Sprachtheorie, teils Entfremdungsexegese, weiß Wenders genau, wie er Emotionen arrangiert, anstatt sie impulsiv zu entladen. Offensichtlich an Antonioni angelehnt, platziert der Autorenfilmer Balken und Streben im Bild, um mit materiellen wie nichtmateriellen Hindernissen zu kokettieren, die in den Figuren deren geistige Erschöpfung signalisieren. Dieser Wenders ist entschieden "anders", ein wenig formalistischer, ein wenig gezielter und manchmal gar ein wenig schlagwortartiger. Der traditionell pathetischen Verarbeitungstragödie schlechthin fügt Wenders also die Mathematik hinzu: Er analysiert in den Gesichtern seiner Darsteller und anhand des mehrsprachig-topografischen Raums, in dem diese Darsteller umschlossen wie eingeschlossen sind, sowohl positive als auch negative Ergebnisse ausgelaugten Seins.  

6 | 10