Freitag, 8. Juli 2016

"Tristana" [E 1970]


Am reizvollsten ist Catherine Deneuve bei Luis Buñuel: zartseiden, besinnlich und doch mondän. Als ob sie über den Dingen ungewiss ihre fragilen Flügel ausstrecken könnte, papiern in sich ruhend, den Absprung vorbereitend. "Tristana" ist, und damit ergibt sich einmal mehr ein Filmgedicht dieser Dame, ihr Film, ihr vollkommener Film, ein prosaisches Stück, das vor Herzensverhärtung bibbert. Buñuel wäre aber nicht der Provokateur Buñuel, wenn er seine ideologische Kritik am Bürgertum in bürgerliche Bilder ausstaffieren würde – "Tristana" wirkt, konträr dazu, unmittelbar aufgesprungen, die Interieurs zweckmäßig, die Farbe verstorben. Und dieser Kopf erst. Don Lopes (Fernando Rey) blutig abgetrennter Kopf, der an einer Kirchenglocke baumelt. Das ist dieser schnoddrige Buñuel, der die bestgehüteten Reliquien gesellschaftlicher Hierarchien allegorisch zuspitzt. Früher glaubten die Menschen an den Glauben, heute, so Buñuel, an das Geld (der eigenen Überschätzung), an die Bedeutungslosigkeit des heiligen Sakraments, ehemals Wegweiser und Signalhorn, nun Montagmorgenwecker. Über die Unfreiheit in der Freiheit, das Reaktionäre im Liberalen, das Asexuelle im Sexuellen schlägt die Weiblichkeit und die Schöne (Deneuve) gegen das Männliche und das Biest (Rey) eine Schlacht, die in abgerissenen Erzählfetzen geradewegs von einem sozialen Bunker in den nächsten führt. Der politisch kompromisslose und seelisch verschlungene "Tristana" bewahrt seinen Glauben. An ältere Filme.

6 | 10