[...] Lange Zeit war Schlöndorffs tollkühne Interpretation weggesperrt, verboten, belächelt. Der Film nämlich emanzipiert sich unübersehbar von seiner Vorlage, wuchert vor Fantasie und Spontanität. Statt in einem gesellschaftlichen Makrokosmos die Frage nach einer systemimmanenten zwischenmenschlichen Entfremdung zu stellen, kehrt Schlöndorff die Ausgangslage um, reduziert sie gar auf einen mikroskopischen Blickwinkel. Indem er Baal an einer existenziellen Ichsucht ersticken lässt, vertraut der Film methodischer den intimen Belangen seiner Hauptfigur. Rainer Werner Fassbinder spielt Baal wie ein Geschwür, das am Himmel Fettflecken hinterlässt, wie einen Hofnarren, der sich durch ein ausrangiertes Deutschland frisst, wie ein Lausbub, der getrieben zwischen den Aggregatszuständen des Seins wandert. Baal verprügelt und vergewaltigt Frauen, flucht und flüchtet, jammert und hadert. Seine lyrischen Litaneien wirken wie fragile Erkennungsmelodien, wie Schutz(t)räume, die vor der Gefühlsvergletscherung des Mitmenschlichen abschirmen, dort, wo aus Bechern überschäumender Champagner aus den Fugen geratenen Irrsinn verbildlicht. [...]
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