»LAND OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S LAND OF THE DEAD«
(USA, F, CDN 2005; Director's Cut)
Die da oben herrschen über die da unten. Ein Tyrann lenkt seine
Lemminge, und eigentlich trennt schon die Geometrie und Architektur der
totalitären Kulisse die Begehrlichkeit von der Subkultur: Ein
Wolkenkratzer türmt über den Zeltlagern. Subtilität in der zweigeteilten
Seele eines postapokalyptischen Landstriches zu suchen dürfte heikel
werden, denn Romero ist während seiner nach Jahrzehnten vorbereiteten
Reanimation des Zombies nie subtil unterwegs. Wenn er das Konzept klug
bricht – zum Beispiel anhand zweier Sektgläser, die zwei Lebensentwürfe
abbilden –, dann entzückt "Land of the Dead" angesichts der fühlbaren
Existenzangst, deren Polizeischutz neben einem Graffito der
Freiheitsstatue einer grotesken Komödie schmeichelt. Ungeachtet dessen,
dass Romero den Menschenfresser organisatorisch begründet, im Führerkult
einordnet und infolge mehrerer sensibilisierter Pathosmomente samt
Erkennungsmelodie Schlussfolgerungen ziehen lässt, kokettiert das
Anbandeln an moderne handwerkliche Stilmittel jedoch mit jenen aufs
Gemüt schlagenden Nebenwirkungen des Hollywood-Einheitsbreis – eine
Handvoll pupsiger Figuren (Ausnahme: "der kleine Fettsack"), ein
stumpfsinniger Plot um Rache, Kampf und Geld, dazu artifizielles CGI.
Die sichtlich forcierte Obsession abgenagter Köpfe, zerschossener Leiber
und herausgebissener Piercings zementiert Romeros Richtungswechsel:
direkter, schneller, unterhaltsamer, aber auch nicht mehr wirklich
feingeistig. Am Ende verschmelzen der Mensch und der Zombie vollends.
Beide suchen die feuerwerksbegleitende Freiheit jenseits des Zaunes,
weil sie vorgeben zu leben.
»DIARY OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S DIARY OF THE DEAD«
(USA 2007)
YouTube, Myspace, Facebook – "Diary of the Dead" ist Romeros Kolumne an
den Kick vom Klick, ein Tagebuch der Enthumanisierung, ein nervöses
Gefuchtel, erschöpft auf den Beinen wie der Regisseur des Films im Film.
Es gibt, konträr zur Vergangenheit, noch mehr zu entdecken, verformt
sich doch das Röhrenfernsehgerät zum LCD-TV, das Radio als
Informationsmaschine zum internetfähigen Notebook. Der furchtbar analoge
Einkaufswagen ist nur ein Symbol unter wenigen, das freimütig zugibt,
dass da früher mal etwas war. Sonst hievt Romero die Zombies ohne
postmoderne Ironie ins digitale Zeitalter, bewackelt sie mit einer
Amateurkamera Schritt auf Tritt zur Wahrheit, die durch ein Stück
Glaslinse unverblümt gefiltert wird. Doch was ist Wahrheit und was ist
eine Geräuschkulisse an Scheinwahrheiten? Wann dürfen wir hinschauen und
wann sollten wir wegschauen? Wann müssen wir helfen? Eine Blondine
emanzipiert sich irgendwann, ein Schauspieler spielt seine Mumien-Rolle
erst nach dem Tod aufrichtig und ein Zombie-Angriff in grünen
Standbildern von Überwachungskameras gesteht dem Film eine formal
distanzierte Kraft aus abgehackten Bewegungsfragmenten zu. Der Roadtrip
und die Untergangsfantasie bieten inhaltlich nichts, begleiten jedoch
das Kino in den letzten Sterberegungen leidenschaftlich. Romero ist zu
sehr der Liebende des Genres, als dass er den Tod zulassen könnte. Es
muss weitergehen. Alles für die Kunst!
»SURVIVAL OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S SURVIVAL OF THE DEAD«
(USA, CDN 2009)
Lausige Zeiten bringen lausige Typen hervor. Niemand weiß das besser als George A. Romero, der mit seinem jüngsten Zombie-Magenschlag wieder einen druckvollen Kosmosbeitrag erschuf, in dem ein verwegenes Gespann aus Schönschwätzern und Gutsherren die Toten zu Nutztieren domestizieren, um ihnen beizubringen, das Menschenfleisch ab sofort verbotene Luxusnahrung ist, auch wenn das freundliche Menschenfleisch nach wie vor geröstet werden muss. Dilemma! Mehr in Richtung hinreißendem Ulk und grimmigem Fun-Splatter steuernd, versammelt Romero närrisch grinsend die optimalste Wirkungsstätte der Verlassenheit und Nichtverlassenheit einer Insel, ein Liter wabernde Küstenatmosphäre und hundert Kilo Innereien zu maximaler Konzentration, deren Fingerzeig auf der Charakteristik des Westerns ruht und an der Schnittstelle des Vorgängerfilms eine hintersinnige Ebene vom sympathischen Militär eröffnet. Wenn "Survival of the Dead" etwas Offensichtliches zu erzählen hat, zum Beispiel über eine Zwillingsgeschichte, dann ist er nah am Klischee. Wenn der Film jedoch loslegt, ohne sich umzuschauen, dann streift er putzig wie noch nie im Schaffen Romeros die rücksichtslose Bekämpfung: Leuchtmunition in den Bauch, ein Stock in den Schritt. Da existieren gefangene Postbooten und Reiterinnen, insbesondere aber die Komplettierung der Frauenemanzipation über sechs Filme hinweg. Nun darf die Frau stöhnend masturbieren, trägt einen Männernamen als Rufnamen und hantiert mit schwerem Geschütz. Oh, Baby.
Gesamtwertungen: 5 | 10 6 | 10 6 | 10