Dienstag, 23. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #3


»DIAMANTENFIEBER«
»DIAMONDS ARE FORVER«
(GB 1971; Regie: Guy Hamilton)

Tschüss, bis dann, bis bald, auf Wiedersehen. Obwohl Sean Connery sich später geirrt haben sollte, gab er mit "Diamantenfieber" die vorerst letzte Abschiedsvorstellung als erlauchte Schöpfung Ihrer Majestät. Unbeirrbar endgültig im bewusstseinserheiternden Ulk angelangt, klammert der Film eine Prämisse, die auf eine darauffolgende Generation einer neuen Bond-Ära hindeutet: Ein übersättigend grotesker Spaß-Bond, trashig, unter der Gürtellinie, unvermindert komisch und unmittelbar an der Karikatur seiner selbst. Bond wird mehrmals lebendig begraben, triff auf Ratten, wird von durchtrainierten Amazonen verkloppt (!!!), kloppt sich selbst im Fahrstuhl (!!), fährt auf zwei Autorädern (!), steuert Mondfahrzeuge fluchtartig, und all dies kommentiert Connery in völliger Schauspielstarre so lässig wie kess und so sexistisch wie rassistisch (ein Aftershave sei ihm beispielsweise zu schwul). Das ist unglaublich, noch unglaublicher aber ist das konfuse Handlungsstückwerk, ein Schmelztiegel an Zweierpaaren, Zweierbeziehungen und Zweieridentitäten überall auf der Welt, in Südafrika, Amsterdam, Las Vegas, egal ob hetero- oder homosexuell. Ungeachtet des holzschnitzartigen, nunmehr dritten sowie enttäuschensten Blofeld-Ersatzes, eines konturlosen Finales und einer "dummen Nuss" an Blondine (schöner Po, im Kopf nur Stroh), die aufgrund des Maschinengewehrrückstoßes von ganz allein ins rettende Wasser plumpst, landet Bond zwischen zwei saftigen Frauenschenkeln, nachdem er in der bizarren Pre-Title-Sequenz einige breiig-fette Substanzen angerührt hat. Kontrastreich!    


»LEBEN UND STERBEN LASSEN«
»LIVE AND LET DIE«
(GB 1973; Regie: Guy Hamilton)
 
Staffelübergabe an Roger Moore. In "Leben und sterben lassen" bewegt er sich wie eine Schlange um seine Opfer, seine Gegner, eine Schlange, die ohnehin mehrfach Leinwandpräsenz beansprucht. Geschmeidig nähert er sich ihnen, zischend, und beißt von hinten blitzschnell zu. Sean Connery war der Brachiale, Roger Moore ist der Filigrane, der alberne Hedonist mit Zigarre. Noch besser: Roger Moore im Blaxploitation-Bond, der nach Paul McCartney swingt, wippt, schnippt und aus dem lebenden einen Totenschädel generiert. Das Leben und das Sterben findet in diesem Bond zu einer schwarzgeränderten, aus abgehangenen Verallgemeinerungen zusammengekleisterten Bildsprache, aus den schutthaltigen Hinterhofgassen New Orleans, den Voodoo-Ritualen einer Mohninsel sowie einer vorausfeiernden Beerdigung den Mystizismus eines vergangenen Jahrhunderts und den Sozialkolorit der 70er herauszuschälen. Haie und eine Zugschlammschlacht erweisen Connery hierbei noch einmal die Ehre. Je schwarzhumoriger (hihi) Bond ermittelt und dabei kontinuierlich von scheinbar unscheinbaren Gegenständen überrascht wird (ein nirgends sicherer Falltürenclub), desto lustvoll-verdrehter das Sterben und Überleben und die Situationsschau beider und die anschließende Demolierung unter den herausquellenden Augen eines  spuckenden Sheriffs – Alligatoren (Rücken), Motorboote (Sprünge), Flugzeuge (Flügel), Busse (Dach). Während der Oberfiesling nationalistisch motzt, heult das Girl unerträglich doof. Während Moore dem Oberfiesling einen zu Tode bläst, lehrt sein greifarmiger Handlanger eines: lächeln, nur lächeln.
        

»DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT«
»THE MAN WITH THE GOLDEN GUN«
(GB 1974; Regie: Guy Hamilton)

Guy Hamiltons finale Regiearbeit zu Gast bei James Bond. Hamilton verabschiedet sich als selbstreflexiver Staatsmann, indem er auf seine erstmalige Bekanntschaft mit dem virilen Geheimagenten zum Abschied verweist. Nochmal reichlich Gold, nochmal ein zu schlauer Waffennarr (drei Brustwarzen: Christopher Lee), nochmal eine per unbezahlbarer Dosis getötete Schlafzimmerdame, nochmal ein kleinwüchsiger Adjutant, dessen sich selbst geltendem Grinsen Löcher in den Schädel reißt. "Goldfinger" und "Der Mann mit dem goldenen Colt" sind sich um ihre Parallelen bewusst, und darüber hinaus surft letzterer noch zentrierter als "Man lebt nur zweimal" auf dem Zeitgeist des fernöstlichen Films mit den rudimentären Kampfbewegungen, die es Bond in einer Schule lehren, dass ein gröberer Gegenschlag zur Verteidigung trotzdem ausreicht (ein Lakonieschlag, der an den ersten "Indiana Jones" erinnert). Dank dem erneuten Aufeinandertreffen des verknautschten wie zerknautschten Polizisten aus "Leben und sterben lassen" ist es weniger schwungvolle Action, sondern der gehäufte Pistolenschusshumor, der wortwörtlich zu verstehen ist: Der Lauf taugt auch als erotisches Phallussymbol. Understatement, wohin man sieht – ein Auto fliegt, Bonds Gespielin heißt Goodnight, optische Spielereien: eine perspektivverzerrte MI6-Wrackbasis und die perspektivverzerrte Irrgarteneinleitung à la "Liebesgrüße aus Moskau". Ein glühender Titelsong von Lulu preist den lüsternen Bauchnabel höchstselbst, der im Laufe der (Film-)Zeit omnipräsent zu wackeln scheint.  

Gesamtwertungen: 6 | 10     7 | 10     6 | 10