»DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN«
»NIGHT OF THE LIVING DEAD«
(USA 1968)
"Die Nacht der lebenden Toten" ist die erste politische Regiearbeit in
der Vita eines rebellisch-umstürzlerischen Kompagnons, der aus seinem
Leibe eine verwesende Totgeburt gebar, deren Biss ein Genre infizierte.
Das ist ein rustikales Debüt voller "antikommunistischer Hysterie", das
ist ein Protest, der Fieber hat, Wunden aufreißt, der weh tut, das ist
eine symbolkräftige Zeitgeistreflektion über Jagen, Flüchten und Macht,
über das Bonbon, das zum Supermarkt schielt. In Bewegung, dieser Film,
immer wieder, in traumwandlerischer, in zittriger Bewegung, die in
kannibalischen Praktiken eine eigene originäre Körperästhetik
definierte. Menschen rasten in einem Haus, selbstsichere Schwarze,
verstörte Frauen und militante Weiße, verbarrikadieren sich, lernen,
beten, reden, umschlingen Ein- und Ausgänge, und die Kameraschrägen
schneiden ihre Gesichter zu expressionistischen Relikten an Licht und
noch mehr Schatten. Den kulturellen Zerfall des Gemeinschaftswesens beschwört Romero in den vielseitigen Mentalitäten hierarchisch geprägter
Gruppenorganisationsprozesse gegen ein Wahrzeichen gesellschaftlicher
Randexistenz, während sich der Raum der behaupteten Sicherheiten (und
zupackender Hände aus der Wand) stetig einengt. Der Regisseur aus
Pittsburgh zerkleinert in anatomischer Beharrlichkeit die verstohlenen
Anfeindungen jener, die sterben, weil sie überleben, angekommen in
völliger Dekonstruktion der Dekonstruktion der Dekonstruktion. Eine
Revolution ohne Alternative, eine Selbstzerfleischung ohne Narkose, die
unerfüllbare Hoffnung eines Entrechteten. Verängstigte Augen im
Glockenspiel erzeugen Leere.
»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Romero-Cut)
Zugleich Kapitalismusschelte wie Konsumohrfeige, eine
Zwinker-Zwinker-Satire über die Tortenschlachten des Menschen gegen
das Böse, den Eindringlingen. Im Materialismus als Marionette gezogen,
verkehrt sich die Rollenauslegung in einem Einkaufszentrum ins
Gegenteil: Als Machtmenschen haben sie nun alles, die ehemaligen Sklaven
der Regalketten. Sie genehmigen sich den Kaviar, den Champagner und den
Luxus der entmaterialisierten Welt, und doch bleiben sie Entfremdete
ihrer Erinnerung vom Glücksgefühl des Kaufrausches mit anschließender
Bezahlung. "Zombie" vergrößert in Kontrast zur "Nacht der lebenden
Toten" einerseits das enge Rückzugsgebiet des Eingesperrtseins,
andererseits die geistige Entwicklung seiner Metaphern. Immer noch
hungrig, leben sie selbst im halbtoten Zustand ihren Lebensinhalt nach,
womit Romero den Menschen näher zum Zombie bindet, als den Zombie zur in
der Trivialität gefangenen Fleischeslust. Romeros Entwurf einer
halbverrückten Dystopie, die unwiederbringlich implodiert, indem das
verrauschte Fernsehbild keine Informationen mehr preisgibt, ist auch
eine Aufzählung jener toten Punkte einer Liebesbeziehung, die unter all'
dem Falschen und Anrüchigen nicht mehr gedeiht. Der Film steht für
Amerikas Hedonismus und Imperialismus, für Herrschaftsmenschen, für
unaufhaltsame territoriale Eroberung, die es zulässt, dass der beste
Freund stirbt, weil er sterben muss. Nur mit Hilfe der allerletzten
Schippe abgeklärter Gruppierung scheint die Zukunft noch nicht verloren.
Hoffnung am Himmel rotiert da. "Versuchen wir's."
»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Argento-Cut)
Romero verwies darauf, dass ihm Dario Argentos für den europäischen
Markt geschnittene und hierzulande am weitesten verbreitete Fassung des
auf Listen beschlagnahmter Filme stets festgedruckten
Kaufhaus-Zombiefilms "Dawn of the Dead" nicht gefiel, weil Argento den
Stoff im Kern nicht erfasst habe. Wahr oder unwahr: Der Metapher wegen
zerbricht sich Argento jedenfalls nicht den Kopf, die Geschwindigkeit
zelebriert er hingegen ohne Mittagsschläfchen; seine Vorstellung des
politisierten Filmemachens ist eine verwässerte, die lakonisch die
Aktion und Exploitation sucht, eine, die wie ein titanisches
Donnergrollen über das Wohlfühlgefühl des Shoppings hereinrollt. "Dawn
of the Dead" beschleunigt exorbitant, will nach wenigen Augenblicken
einkaufen gehen und verschweißt dickflüssigen Savini-Gore mit
spannungsgestrickten Ablenkungsmanövern, um jene Biester vor den Gittern
der Warenabteilung einzuschließen, die auf die Erde gekommen sind, weil
in der Hölle kein Platz mehr ist. In verschwörerischer Verbitterung wie
apokalyptischer Undurchdringbarkeit filmt Argento zu jeder Zeit
Figuren, die – und das ist der wesentliche Unterschied zu Romero –
leider kaum ausstudiert werden, aber mit ihnen gemeinsam eine neue
aristokratische Ordnung im Schlaraffenland des freien Marktes erschafft,
die verteidigt werden muss, notfalls per Gewalt gegen archaische
Ideologien (als Rocker: Splatter-Boy Savini höchstpersönlich). Ein nach
allen Seiten peitschender Gobling-Sturm, ein rabiater Actionfilm, dessen
Tiefe im Blutmatsch zu bestehen scheint.
»ZOMBIE 2 - DAS LETZTE KAPITEL«
»DAY OF THE DEAD«
(USA 1985)
Eines der ersten Bilder: ein Kalender. Das letzte Bild: ein Kalender.
Zuerst ein Traum. Zuletzt ein Traum. Der Fatalismus gefräßiger Zombies, eingerahmt in menschenleeren Städten, in Impressionen wunderschöner
Hässlichkeit, deren Übergang in das Paradies am Strand metaphysisch
geklammert wird. Ein Traum eben. Oder doch nicht? "Zombie 2 – Das letzte
Kapitel" erweist sich als ambivalente Fortführung. Nicht nur, dass
Romero vermehrt das Spöttische in das Vertröstende verkehrt – der
Abschluss seiner ersten Trilogie schlägt den Kurs der infernalischsten
aller Niedergänge ein –, er komplettiert nun den Zombie zur mit
menschlichen Erkennungszeichen durchzogenen, tragischen Gestalt, die lernfähig ist
(Fahrstuhl!), wodurch die Behauptung dessen hintergangen wird, dass ein
Unterschied von Mensch und Tier existiere. Zum zwischen Dialog und Gore
nicht zu jeder Zeit austarierten Bunker-Kammerspiel ausgedehnt,
konfrontiert dieser vor allem in den Zombieexperimenten ethisch
ergreifende Film die Wissenschaft mit dem Aktionismus, die Demokratie
mit der Diktatur als Staatsmahnung, den Humanismus mit der Barbarei, für
deren reaktionären, militärischen Kodex Romero durchaus Verachtung
übrig hat: Lächerlich, dekonstruktiv ist er, und deshalb muss er per
Salutgeste sterben. Ein der Raserei verfallener Tom Savini wässert indes
den Strom an ungeheuerlicher Gewalt zum letzten Bild, dem Kalenderbild.
In der Orientierungslosigkeit angelangt, verlangt der emanzipierte
Mensch sofort nach einer Zeitstruktur.
Gesamtwertungen: 7 | 10 7 | 10 6 | 10 6 | 10