Man muss nicht unbedingt Godard zitieren, um zu wissen, dass Film auch Schlachtfeld sein kann. Selbstverständlich ist es das. Fincher und Sorkin konstruieren in "The Social Network" ein ebensolches Schlachtfeld, besonders einen Kampf, einen Kampf der Ökonomien, der Lebensphilosophien, einen Kampf von Analog und Digital vor dem Hintergrund von Plastiktastatur und Like-Button mit den Waffen der Wörter um die "Digitalisierung des echten Lebens".
"Fight Club" war Finchers prägender Zeitgeistkommentar zum westlichen Konsumexzess, 11 Jahre später dann ist "The Social Network" zu Finchers prägendem Zeitgeistkommentar zur virtuellen Nerdkultur avanciert, wahrscheinlich eine Momentaufnahme in steter Gewissheit, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein kann, wann sich bald wieder ein kleiner intelligenter Kotzbrocken finden lässt, der sich anstrengt, ein Arschloch zu sein, der mit Badeschlappen und Schlafanzug dem Unternehmenssystem von gestern in den Hintern tritt; wahrscheinlich genauso prophetisch jedenfalls, dieser erste New-Economy-Film, das wird sich noch zeigen.
Genau wie in "Fight Club" und "Zodiac" beweist Fincher ein fein ausgeprägtes Gespür für (Fehl-)Entwicklungen, Tricks und Täuschungen, den gesellschaftlichen, innerfamiliären wie zwischenmenschlichen Wandel Erwachsener wie Jugendlicher damals wie heute, kurz: Fincher atmet den Zeitgeist wie kaum ein anderer zeitgenössischer Regisseur, ohne ihn direkt zu verurteilen, als ihn vor allem zu verstehen. Aus diesem Grund färbt sich der Facebook-Film in universellen Farben, wenn er zur ewigen Tragödie mutiert, somit gesteht der Facebook-Film, kein Film über Facebook zu sein.
Denn nicht Facebook steht im Vordergrund, nicht das, was dahinter steckt, womit es erfolgreich expandiert, sondern der Verrat der Freundschaft ihrer Urheber, die – und darin liegt die Ironie – weder vor noch nach der Inbetriebnahme ihres sozialen Netzwerkes entscheidende Sozialkompetenzen hinzugewinnen, sie bleiben vereinsamt und in ihren kryptischen Algorithmen gefangen, unnahbar für jeden, der sie verstehen will. Der Wert echter Freunde, das will uns Fincher sagen, ungleich jener, die man aus einer Laune heraus anklickt.
Die schier unermesslich breitgetretene Einleitungssequenz in "Pulp Fiction"-Manier nimmt einiges vorweg, mit schwindelerregenden Dialogketten spitzfindig zu charakterisieren. Sorkin schreibt viel Elaboriertes in Hochgeschwindigkeit, aber doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sorkin gleichzeitig viel Banales drunter mischt, das es herauszufiltern gilt, was des Öfteren nicht leicht fällt (wünschenswäre wäre ohnehin der Verzicht auf rudimentäre Frauengeschichten, die kuriose Entwicklungen erfahren).
Der stakkatohaft-berauschte Wechsel beider Erzählebenen – hier der Facebook-Gründung, da der juristischen Streitfrage – hingegen gelingt nicht zuletzt aufgrund des präzisen Schnitts (Kirk Baxter, Angus Wall), wenn etwa ein gesprochenes Satzfragment in der ersten Ebene angefangen und in der zweiten beendet wird. Sehr selten verlässt Finchers mittlerweile gewohnt ebenso pragmatischer wie ökonomischer Regiestil die Narrative, um sie eigenhändig auf Pomp zu verzieren.
Die surreal vertonte Ruderregatta-Sequenz erweist sich als meisterhafte Montage, das Davonziehen der experimentierfreudigen Wilden (digital: Marc Zuckerberg, Sean Parker) den altbackenen Traditionalisten (analog: die Winklevoss-Zwillinge, Dustin Moskowitz) im Zentrum des Drehbuchs allegorisch zu verstärken. Problem: Letztendlich ist es der figurenimmanenten Klinikkälte des Films zu verdanken, dass "The Social Network" zwar gehörig interessiert, aber emotional nie richtig mitreißt, weil dessen Protagonisten einem Hauch Vielschichtigkeit unterlegen sind.
Außer egomanischen Schleimbeuteln versuchen sich Fincher und Sorkin an Klischees stereotyper Persönlichkeiten abzuarbeiten, die kein Muster aufbrechen, keine Herzenswärme ausstrahlen und keine Identifikation zulassen. Emotionslose Filme kommen nicht oft über ein teilnahmsloses Gefühl des distanzierten Zuschauens hinaus. Es fehlt auch so ein bisschen an (Fincher-)Anarchie aus früheren Dekaden, die tangierte Kritik des Internets, wo laut Sorkin mit "Tinte denn Bleistift" geschrieben wird, massiver auszuformulieren. "The Social Network" ist demnach zahmer als erwartet und angriffszurückhaltender als erwünscht. Schwamm' drüber, das ist trotzdem unser Film.
6 | 10