Donnerstag, 29. März 2012

"Rocky V" [USA 1990]


Runde #5, vorletzte Runde. Als jemand, der sich mit der vielfach abwechslungsreichen und sehr, sehr toll weitererzählten "Rocky"-Reihe zur Überraschung von vorn bis hinten anfreunden kann, leuchtet es mir nicht unbedingt ein, dass der oft unwiderlegbar übergangene fünfte Teil derart zusammengedroschen wird. Das soll der schlechteste Teil sein? Der schlechteste? Ehrlich? Ich meine, wenn "Rocky" mit kruder Comic-Action bepackt wird, mag das verständlicherweise scheiße sein. Wenn "Rocky" zu niederen Propagandazwecken missbraucht wird, mag das verständlicherweise auch scheiße sein. Man könnte aus den Augen der Fanboys damit argumentieren, dass sich der Geist dieser Sportserie eben nach und nach verflüchtigt, indem man sich langsam vorgeführt fühlt. Natürlich. Aber dann, wenn's zurück zu den Ursprüngen – und damit zu den Fanboys – geht und dieser Geist zum vermeintlich (vor)letzten Mal beschwört wird, soll das wieder scheiße sein. Komisch. Finde ich überhaupt nicht. Mit demjenigen Regisseur, mit dem alles angefangen hat, endet alles dort, wo alles begann. Ist doch wirklich schön. Schön wehmütig. John G. Avildsen verhilft ihnen zum Comeback, den Symbolen, Zeichen, Codes, Befindlichkeiten und Heimstätten der ausgestoßenen Verlierer einer versiegelt geglaubten Zeit von einst, die wiederkehrt. Der Hut (Rocky), die Brille (Adrian), der Boxring unter Jesus' Antlitz (Rockys erster gezeigter Kampf der Reihe), Rockys wortlastige Monologe, Mickeys zu einem Staubregen Vergänglichkeit zerfallene Trainingshalle – das sind Erinnerungen, die durch deren Nachruhm träumerisch umherirren, während Mickey (Burgess Meredith) in einer bekümmerten, aber couragiert-kämpferischen Rückblende seinen Kettenanhänger an dessen Schützling Rocky Balboa (Sylvester Stallone), ein Manschettenknopf Rocky Marcianos, weitergibt. Im Ring leben. Und Mickey wollte im Ring sterben. Bis dahin allerdings mussten beide weiterkämpfen, ohne zu fallen. Denn der Schlussgong lies weiter auf sich warten.

Fakt ist, dass sich "Rocky V" auf den zuvor unentwegt verdünnten Leitgedanken zurückbesinnt, der Familie und deren Entfremdung nämlich, sobald Rocky in dem jungen Tommy (Tommy Morrison in einer übereinstimmend ausgearbeiteten Rocky-Rolle, voll von gefährlicher Werbereizüberflutung umgeben) eine Möglichkeit sieht, die ihn des Gefühls nicht erwehren kann, im Boxsport mit einer Art Zweitsohn doch noch weitere Erfolge einzufahren. Zu leben. Trotz Hirnverletzung. Aber er muss leben. Das ergründet die "Rocky"-Saga seit jeher auch: die Fragilität des Körpers eines Berufsboxers durchs Einstecken, der dazu verdammt ist, immer wieder auszuteilen, um atmen zu können. Der Ring als Sauerstoffzelt. Neben Burt Young (als besoffener Weihnachtsmann) greift sich insbesondere Talia Shire einen breiteren Bezugsrahmen. Diese beiden Figuren dürfen das Wort haben, sie sind wichtig(er) geworden. Weiteren erzählerischen Spielraum, der kommerzialisierten Verführung im Boxgeschäft, vereinnahmt der Promoter Duke (Don King: Richard Gant), aus dessen Agitation das Drehbuch etwas holzschnittartig, aber unterm Strich gebührend das Team aus Marionette (Gun) und Strippenzieher (Balboa) gegenseitig ausspielt. Der Vater-Sohn-Konflikt wird demnach auf zwei verschiedenen Ausdehnungen folgenreich verhandelt, wovon der eine mit Stallones tatsächlichem Sohn häufig zärtliche Geständnisse sanfter Weisheit erfährt. Stallone hat ein paar starke Szenen. Dort, als er sich eingesteht, in welchen Bereichen sich sein Sohn zuhause und in welchen Bereichen er sich gar nicht talentiert fühlt. Da ist er wieder, der bemitleidenswerte kleine Straßengauner von einst. Das Streetfight-Finale schließlich, das berauscht wenig (so wie die Boxszenen ohnehin), und Stallone wühlt tief in der Klischeewundertüte, wenn er die gesamtgesellschaftlich zu beobachtenden Angewohnheiten rebellierend-verrohender Halbstarker reflektiert: Rauchen, Lungern, Ohrringe. Das Bonbon wird dann erst gen Ende dem Papier entwickelt. Das Schlusswort. Elton John. Bilder voller vorangegangener Triumphe im Kleinen wie im Großen werden ineinander für alle Unendlichkeit verkeilt. Für diesen Abspann muss man dem Film etwas abgewinnen können. Ernsthaft? Ganz im Ernst.

6/10