Story:
Nachdem Rolands Gemeinschaft dem finsteren Blaine entkommen ist, müssen sie feststellen, dass sie in einem Kansas gelandet sind, das sich scheinbar nicht mehr in Mittwelt befindet. Aber auch in Jakes, Eddies und Susannahs Welt scheint es nicht zu liegen. Mitten auf einem verlassenen Highway erfahren Rolands Gefährten schließlich etwas über dessen Vergangenheit. Er erzählt ihnen von seinen Jugendfreunden Alain und Cuthbert, seiner ersten großen Liebe und vom unheilvollen und zerstörerischen Lauf des Schicksals, in dessen Geschichte eine unheilvolle rosa Kugel aus Glas steht...
Kritik:
Stephen King ist ohne Zweifel in so mancherlei Hinsicht ein Phänomen. Sei es nun sein exzellenter Schreibstil als solches, seine tiefe Verbundenheit zu seinen Figuren oder aber auch die Konsequenz, häufig neue narrative Wege in seinen Erzählungen einzuschlagen: King ist aus der modernen Unterhaltungsliteratur schlicht und ergreifend nicht mehr wegzudenken. In dem vierten Band seiner "Der Dunkle Turm"-Saga, de facto sein Lebens- und Schlüsselwerk, wechselt er einmal mehr die Perspektive und schiebt daher einmal mehr den für ihn sonst so obligatorischen Horror beiseite. Stattdessen erzählt er in "Glas" eine kolossale Story epischen Ausmaßes. Eine postapokalyptische Love-Story mit gewissen Western und Fantasy-Referenzen, noch dazu mit einem Schuss Horror und einer guten Portion philosophischer Metaebene. Und doch ist "Glas" seine bisher wohl ergeizigste und schwierigste Arbeit – über 800 Seiten hinweg erstreckt sich die üppige Handlung. Nach eigenen Aussagen ist dem Autor vor allem die Liebesgeschichte zwischen Roland, dem Revolvermann, und Susan Delgado, seiner ersten großen Liebe, mehr als nur ein Hindernis gewesen, fällt es ihm doch relativ leicht, beispielsweise Spannung zu erzeugen, eine halbwegs realistische Liebesgeschichte zu erzählen spielt dann doch in einer etwas anderen Liga.
Einige Jahre, ja, ein halbes Jahrzehnt ist seit dem dritten Band des Fantasy-Zykluses "Tot" vergangen. Eine halbe Ewigkeit mussten die Fans auf den mit Spannung erwarteten Rätselwettstreit zwischen den Gefährten und Blaine, dem Mono, eine Art sprechender Zug, warten. Und genau an dieser Stelle beginnt "Glas". Der vierte Teil schließt also nahtlos an den dritten an. Nach diesem vollends überzeugenden Prolog, der in seiner Summe doch mit viel Esprit und Kreativität in die Tat umgesetzt wurde, reist King in die Vergangenheit. Zu Rolands Vergangenheit - genauer gesagt, die im Buch den größten Stellenwert einnimmt. Als grenzüberschreitende Rückblende angelegt, schildert King darin eine große, leidenschaftliche Geschichte um Verrat, Intrigen, Mord, Gier, Verschwörungen, um Heldentaten, um jugendlichen Enthusiasmus und um die unersättliche Macht der Liebe. Gerade Letzteres wird vom Autor sehr fokussiert tangiert. Da geht es um eine Liebe zwischen zwei ungleichen Individuen aus zwei verschiedenartig sozialen und familären Gesellschaftsstrukturen, die aufgrund dessen letztlich gezwungen sind, ihre Liebe geheim zu halten, ansonsten lautet die logische Konsequenz Verbannung und sogar Abstoßung. Assoziationen zu William Shakespeares "Romeo und Julia" oder an James Camerons "Titanic" keimen plötzlich auf. Es ist dennoch eine ergreifende, eine ungemein packende, eine logisch aufgebaute sowie enorm emotionale Lovestory mit überraschenderweise vielen (herben) Sexszenen, die sich jedoch erst durch ihren tragischen Ausgang zu einer Größe aufbäumt, die "Glas" zum Meisterwerk avancieren lässt. Nichtsdestotrotz ist es auch eine Geschichte der Illusionen, Scheinwirklichkeiten und der falschen Hoffnungen. Die titelgebende Glaskugel, die Macht und Wahrheit verspricht, entpuppt sich als bessesener Gegenstand, der zum Wahnsinn führt und alle Protagonisten in den Abgrund stürzt. Roland vergleicht seine Liebe mit Susan im Nachhinein rudimentär als Sucht, bei der sein Gefährte Eddie als ehemaliger Junkie sehr gut mitreden kann. Nur der Turm, ja, der ist konsistent, fungiert als perfektes Leitmotiv. Aber auch Kings wirkliche Stärke, seine Figurencharakteristik, kommt in "Glas" nicht zu kurz, flechtet er doch eine Vielzahl interessanter, tief skizzierter, ambivalenter Figuren in seine metaphorische und vertrackte, weil wie schon bei den Vorgängern mit einer Vielzahl an Reminisenzen, Chiffren und vieldeutigen Symbolen bestückte Allegorie ein.
Desweiteren beantwortet der vierte Teil in erster Linie bisher noch unbeantwortete Fragen, stellt aber gleichzeitig wieder neue auf. Hauptsächlich trifft das auf Roland zu, seine Suche nach dem Dunklen Turm wird eindeutiger, sein düsterer Charakter gewinnt an Konturen, seine Welt, wie immer die auch aussehen mag, wird klarer, verständnisvoller. Dagegen verblassen zwar seine restlichen Gefährten, die mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt werden und allerhöchstens als Mittel zum Zweck taugen, schlimm ist dies aber nicht und kann eher als Marginalie konstatiert werden, welche nicht unbedingt der Rede wert ist. Nach diesem zwar episodenreichen, dennoch gehaltvollen Stück Vergangenheitsbewältigung ist es schließlich das Ende, oder besser gesagt die narrative Brücke zwischen "Glas" und dem kommenden Teil der Saga "Wolfsmond", bei der King noch ein besonderes Ass aus dem Ärmel zieht. Vielleicht sogar mehrere. Einerseits durch das Finale in einem prächtigen Palast, de facto eine Art Hommage, nein, als eine groteske Parodie an L. Frank Baums Klassiker "Der Zauberer von Oz" sollte man es verstehen (abgesehen davon, spielt sich die Handlung ebenfalls in Kansas ab, zur Zeit einer dahin vegetierenden Seuche im Jahr 1986) - ein intelligenter, wirklich fabelhaft inszenierter Showdown -, andererseits enthüllt King zudem noch in einer der besten Stellen des Buches, einem magic moment des Romans, die schreckliche Wahrheit um Rolands Mutter während einer herrlich surrealen Szene, welche als weitere Reise Rolands in die Glaskugel dargestellt wird. Spätestens mit dem Auftauchen Randall Flaggs, dem Antagonisten schlechthin, dem personifizierten Bösen, ja, dem Vorzeigeantichristen in Stephen Kings Ouevre, aus dem sich Leser noch aus des Schriftstellers "The Stand – Das letzte Gefecht" oder aus "Die Augen des Drachen" erinnern werden, kommt einem die Einsicht, dass ein adäquater Cliffhanger zu "Wolfsmond" nicht besser hätte ausfallen können.
Einige Jahre, ja, ein halbes Jahrzehnt ist seit dem dritten Band des Fantasy-Zykluses "Tot" vergangen. Eine halbe Ewigkeit mussten die Fans auf den mit Spannung erwarteten Rätselwettstreit zwischen den Gefährten und Blaine, dem Mono, eine Art sprechender Zug, warten. Und genau an dieser Stelle beginnt "Glas". Der vierte Teil schließt also nahtlos an den dritten an. Nach diesem vollends überzeugenden Prolog, der in seiner Summe doch mit viel Esprit und Kreativität in die Tat umgesetzt wurde, reist King in die Vergangenheit. Zu Rolands Vergangenheit - genauer gesagt, die im Buch den größten Stellenwert einnimmt. Als grenzüberschreitende Rückblende angelegt, schildert King darin eine große, leidenschaftliche Geschichte um Verrat, Intrigen, Mord, Gier, Verschwörungen, um Heldentaten, um jugendlichen Enthusiasmus und um die unersättliche Macht der Liebe. Gerade Letzteres wird vom Autor sehr fokussiert tangiert. Da geht es um eine Liebe zwischen zwei ungleichen Individuen aus zwei verschiedenartig sozialen und familären Gesellschaftsstrukturen, die aufgrund dessen letztlich gezwungen sind, ihre Liebe geheim zu halten, ansonsten lautet die logische Konsequenz Verbannung und sogar Abstoßung. Assoziationen zu William Shakespeares "Romeo und Julia" oder an James Camerons "Titanic" keimen plötzlich auf. Es ist dennoch eine ergreifende, eine ungemein packende, eine logisch aufgebaute sowie enorm emotionale Lovestory mit überraschenderweise vielen (herben) Sexszenen, die sich jedoch erst durch ihren tragischen Ausgang zu einer Größe aufbäumt, die "Glas" zum Meisterwerk avancieren lässt. Nichtsdestotrotz ist es auch eine Geschichte der Illusionen, Scheinwirklichkeiten und der falschen Hoffnungen. Die titelgebende Glaskugel, die Macht und Wahrheit verspricht, entpuppt sich als bessesener Gegenstand, der zum Wahnsinn führt und alle Protagonisten in den Abgrund stürzt. Roland vergleicht seine Liebe mit Susan im Nachhinein rudimentär als Sucht, bei der sein Gefährte Eddie als ehemaliger Junkie sehr gut mitreden kann. Nur der Turm, ja, der ist konsistent, fungiert als perfektes Leitmotiv. Aber auch Kings wirkliche Stärke, seine Figurencharakteristik, kommt in "Glas" nicht zu kurz, flechtet er doch eine Vielzahl interessanter, tief skizzierter, ambivalenter Figuren in seine metaphorische und vertrackte, weil wie schon bei den Vorgängern mit einer Vielzahl an Reminisenzen, Chiffren und vieldeutigen Symbolen bestückte Allegorie ein.
Desweiteren beantwortet der vierte Teil in erster Linie bisher noch unbeantwortete Fragen, stellt aber gleichzeitig wieder neue auf. Hauptsächlich trifft das auf Roland zu, seine Suche nach dem Dunklen Turm wird eindeutiger, sein düsterer Charakter gewinnt an Konturen, seine Welt, wie immer die auch aussehen mag, wird klarer, verständnisvoller. Dagegen verblassen zwar seine restlichen Gefährten, die mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt werden und allerhöchstens als Mittel zum Zweck taugen, schlimm ist dies aber nicht und kann eher als Marginalie konstatiert werden, welche nicht unbedingt der Rede wert ist. Nach diesem zwar episodenreichen, dennoch gehaltvollen Stück Vergangenheitsbewältigung ist es schließlich das Ende, oder besser gesagt die narrative Brücke zwischen "Glas" und dem kommenden Teil der Saga "Wolfsmond", bei der King noch ein besonderes Ass aus dem Ärmel zieht. Vielleicht sogar mehrere. Einerseits durch das Finale in einem prächtigen Palast, de facto eine Art Hommage, nein, als eine groteske Parodie an L. Frank Baums Klassiker "Der Zauberer von Oz" sollte man es verstehen (abgesehen davon, spielt sich die Handlung ebenfalls in Kansas ab, zur Zeit einer dahin vegetierenden Seuche im Jahr 1986) - ein intelligenter, wirklich fabelhaft inszenierter Showdown -, andererseits enthüllt King zudem noch in einer der besten Stellen des Buches, einem magic moment des Romans, die schreckliche Wahrheit um Rolands Mutter während einer herrlich surrealen Szene, welche als weitere Reise Rolands in die Glaskugel dargestellt wird. Spätestens mit dem Auftauchen Randall Flaggs, dem Antagonisten schlechthin, dem personifizierten Bösen, ja, dem Vorzeigeantichristen in Stephen Kings Ouevre, aus dem sich Leser noch aus des Schriftstellers "The Stand – Das letzte Gefecht" oder aus "Die Augen des Drachen" erinnern werden, kommt einem die Einsicht, dass ein adäquater Cliffhanger zu "Wolfsmond" nicht besser hätte ausfallen können.
Fazit:
Abgesehen von ein paar Unzulänglichkeiten in Form von bestimmten Logikfehlern (Olive Thorins zu abrupter Wandel gegen Ende) oder in Form von kleineren Längen im Mittelteil – King ist nunmal ein ausschweifender Geschichtenerzähler -, übertrifft "Glas" summa summarum zum Teil noch seinen ohnehin schon grandiosen Vorgänger "Tot". Stephen King ist auf dem Höhepunkt seiner fulminanten Saga, seines Mammutwerkes, angekommen. Mit einem Teil, der nur so vor erzählerischer Kraft und virtuoser Stilistik strotzt. Dieses Buch ist keinesfalls nur ein einfaches Buch, es ist ein leises, aber doch so herausragendes und lebendiges Figurenspiel, atemberaubend wie episch geschrieben.
9,5/10